sábado, 2 de agosto de 2008

Büffeln und buckeln - Kinder unter Druck



Disziplin und Drill gegen Bits und Bytes
Der Leistungsdruck im aufstrebenden China ist hoch - so hoch, dass viele Jugendliche daran zerbrechen und sich in Online-Welten flüchten. Xing ist einer von ihnen, er verbrachte sein Leben am Ende fast ausschließlich im Internet. Brachiale Methoden sollen seine Internetsucht jetzt heilen.
Von Nicole Bölhoff, ARD-Hörfunkstudio Peking
Xing war mal Klassenbester. Jetzt unterzieht er sich einer Entziehungskur in Pekings Militärkrankenhaus Nummer 7, zusammen mit anderen Jugendlichen. Sie alle sind Internetsüchtig. Wie viele andere hielt Xing den enormen Leistungsdruck in der Schule nicht mehr aus, flüchtete in virtuelle Welten. Militärischer Drill soll ihn jetzt ins reale Leben zurückholen.
Nachts kann Xing nicht mehr schlafen, tagsüber ist der 16-Jährige ständig müde - eine typische Entzugserscheinung: "Ich habe mich noch nicht an den strengen Tagesablauf hier gewöhnt. Der militärische Drill ist sehr hart. Aber da muss ich jetzt durch. Das ist so eine Art Willenstest."
Tausende fliehen in virtuelle Welten
Tausende Jugendliche in China flüchten sich in virtuelle Welten. Militärische Disziplin soll sie zurückholen.


In Chinas Großstädten grassiert die Intersucht. Besonders Schüler flüchten in Massen vor dem Schulstress in virtuelle Welten. Jeder achte ist inzwischen Internetsüchtig. Und besonders gefährdet sind Jungen wie Xing, die den knallharten Konkurrenzkampf nicht aushalten. Im Therapiegespräch gesteht der schüchterne Junge seinem Arzt, das Internet sei der einzige Ort für ihn gewesen, wo niemand etwas von ihm erwartet habe. Auch nach drei Monaten Therapie ist Xing noch lange nicht geheilt: Bis heute fühlt er sich ohne seinen Computer verloren.
Der Drill im Militärkrankenhaus ist hart: Im Laufschritt muss Xing zum Essen hetzen. Denn sein Stundenplan in der Therapieeinrichtung ist eng gestrickt. Gegessen wird was auf den Tisch kommt. Auch daran müssen sich viele der Einzelkinder erst gewöhnen. Xing macht da keine Ausnahme. Aber eine Lektion hat er in den ersten drei Monaten hier bereits begriffen: "Mich hat immer genervt, wenn der Lehrer die Stunden überzogen hat. Aber hier ist mir klargeworden, das macht der Lehrer nicht, um uns zu ärgern."
Xing kann nur schwer über seine Gefühle sprechen. Militärarzt Tao Ren kommt den Gründen für Xings Sucht daher anders auf die Spur - zum Beispiel mittels der in China noch jungen Kunsttherapie. Wenn jugendliche Chinesen wie Xing internetsüchtig werden, hat das meist vor allem eine Ursache, meint der behandelnde Arzt: "Viele Eltern bevormunden ihre Kinder zu stark. Sie verbieten ihnen Freunde zu treffen, erlauben keine coolen Klamotten. Stattdessen fordern sie immer nur das Eine: Lernen, Lernen, Lernen."
Wie im Gefängnis
Nur langsam lernt Xing, mit Gleichalterigen klarzukommen. Ein gemeinsames Kartenspiel ist ein großer Schritt.


Auch für Xing war der brutale Leistungsdruck zuviel, das gnadenlose System hat ihn überfordert. Seine Eltern haben ihn hier eingeliefert. Nun lebt Xing in der Entzugsklinik seit Monaten wie im Gefängnis: Jeden Abend die gleiche Prozedur. Xing kommt an den Tropf. Der Cocktail, der ihm hier injiziert wird, ist ein Militärgeheimnis. Die Medikation mache ihn ruhiger, sagen die Ärzte. Die Behandlung kostet 1000 Euro. Das können sich nur betuchte Chinesen leisten. Doch für Xing und seine verzweifelten Eltern ist es die letzte Chance.
Zuhause hat Xing keine Freunde mehr. Zwei Jahre lang saß er nach der Schule immer nur vor dem Computer. Hier, im Militärkrankenhaus, lernt er, erstmals wieder mit Gleichaltrigen klarzukommen. Das gemeinsame Kartenspiel zum Beispiel ist für Xing ein großer Schritt. Doch der Lernstress lässt den 16-Jährigen auch nach drei Monaten Therapie nicht los: "Der Sinn des Lernens war mir früher unklar. Ich lebte in den Tag hinein. Seit ich hier bin habe ich viel nachgedacht. Internetspiele kann ich auch noch machen, wenn ich mit der Schule fertig bin", sagt er.
Doch bis zu seiner Entlassung dauert es noch. Xing plagt Heimweh. Er vermisst seine Eltern. Aber er will ihnen beweisen, dass er wieder zu den Besten gehören kann. Doch noch ist er krank.

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